Nicht Fisch nicht Fleisch - feministische Gedanken zu Arielle die Meerjungfrau

Nicht Fisch nicht Fleisch

Als Identifikationsfigur hat Arielle die kleine Meerjungfrau ausgedient! Aber warum eigentlich? Drei Gründe warum Arielle unsere Kinder nachhaltig verstören kann.

Zu Beginn ist noch alles möglich. Mit großen Augen, zugegeben viel zu zartem Körper aber gewaltiger Stimme widersetzt sich ein kleines Fischwesen seinem mächtigen Vater. Denn es will nicht singen und sich schmücken, es will sich nicht präsentieren vor diesem langweiligen Fischvolk. Das Fischwesen ist eine Frau und die will mehr und dieses mehr heißt eben „bei den Menschen sein“.

Es gilt, sich dem zwar freundlichen aber definitiv patriarchalen Vater zu widersetzen. Es gilt, die Lebenswelt der eigenen Schwestern zu hinterfragen. Es gilt, als Schwester, als Tochter und junge Frau Widerstand zu leisten. Arielle will mehr und dieses mehr heißt eben „bei den Menschen sein“.

Soweit so gut. So weit so verständlich.

Vater Triton verkörpert mit seinen traditionellen Werten (die Töchter sind schmuck, gebildet und repräsentativ), seinem patriarchalen Weltbild und seinem Nationalismus (Menschen sind Fischfresser & der Kontakt ist schlicht verboten) genau das, gegen das seine kecke Teenagertochter rebelliert.

In einer geheimen Höhle sammelt die indes alles, was sie aus dem Menschenreich ergattern kann. Und diese Schätze sind es, die Triton wütend zerstört, als er erfährt, dass Arielle Erik, einen Menschenmann, vor dem Ertrinken gerettet hat.

Selbstverstümmelung ist  kein adäquater Preis für den richtigen Mann

Genau dieser Erik ist es auch, den Arielle nun für sich gewinnen möchte. Und dafür unterzieht sie sich einer gefährlichen magischen Prozedur, bei der ihre Flossen in der Mitte auseinandergerissen und zu Beinen verwandelt werden. Ja, es ist die böse Meerhexe, die sie zur Handlung verführt, doch eine andere Wahl als den Körper eines anderen Wesens gibt es nicht. Selbst als Triton den Eingriff vollführt.  Arielle macht sich zum Objekt des männlichen Begehrens weil sie das so möchte. So und nicht anders, suggeriert es die Geschichte.

Verzichte nie auf dein Recht zu sprechen

„The men up there don’t like a lot of blabber. They think a girl who gossips is a bore.” Und wieder ist es Ursula, die Arielle erklärt, dass Menschenmänner Frauen mit eigener Meinung nicht schätzen. Und tatsächlich, Arielle schafft es mit ihrem Aussehen und ihrem hübschen Gesicht, Erik den Kopf zu verdrehen. Körperliche Reize, viel Schmuck viel Tand. Alles, was Arielle unter Wasser noch verdammt hat, ist jetzt plötzlich Mittel zum Zweck, um Erik zu verzaubern. Und wieder, Arielle möchte das plötzlich selber, daran kann so falsch ja nichts sein.

Misstraue dem Vorurteil, das Schöne sei immer das Gute

Aber woher kommt der böse Einfluss, der Arielle ihre eigentlichen Werte vergessen lässt. Er kommt von Ursula, der bösen Meerhexe. Die wiederum lebt im körperlichen „Dazwischen“. Ursula wurde der New Yorker Drag Queen Divine nachempfunden und ist deutlich das Gegenteil von Arielle –  Ursula ist groß, dunkel, körperlich ausladend, stark geschminkt, extrovertiert und allem voran mächtig. Ursula ist sexuell uneindeutig und das macht sie noch einmal gefährlicher. Zu allem Überfluss lebt das Tentakelwesen in einer Vulva-ähnlichen Grotte. Das Queere und Monströse bedroht die Normalität des Fischvolkes aber auch die des Menschenvolkes. Das Dazwischen, das Ursula darstellt, ist an Bedrohlichkeit nicht zu überbieten und muss in letzter Konsequenz zerstört werden.

Eine mögliche Herangehensweise

Es ist sicher nichts falsch daran, sich mit seinen Kindern Arielle anzusehen – vielleicht sollte man sie nur nicht alleine lassen mit all den heteronormativen Erklärungsangeboten. Vielleicht sollte man mit ihnen darüber sprechen, dass Arielle in dem Körper, in dem sie sich ja wohl fühlt, ein guter Fang für Erik sein hätte können. Man sollte ihnen erklären, dass Arielle nicht ihre Hobbies aufgeben muss, nur weil ihr Papa die nicht gut findet. Vielleicht kann man auch mit ihnen darüber reden, dass ja auch Erik sich mal Flossen anhexen lassen kann. Außerdem sollten sie wissen, dass nicht jeder große oder dunkelhäutige oder dicke Mensch, von dem man vielleicht nicht so genau sagen kann, welchem Geschlecht er oder sie angehört, böse ist.

Quellen:

Anschläge Magazin November 2016
Doing Spaces while Doing Gender. Vernetzung von Raum und Geschlecht in Forschung und Politik

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